Es war Mitte der neunziger Jahre. Der Schulzahnarzt sah wohl Behandlungsbedarf bei mir und so gings ab zum Kfo.
Das mir bevorstehende Prozedere kannte ich schon aus lebhaften Erzählungen meiner Mitschüler: Wachsabdrücke hier,
Gipsabdrücke dort, etc. Das Ergebnis dessen wurde der Klasse dann nach einigen Wochen stolz nuschelnd präsentiert.
Einige haben dann auch ganz offen die Spangenbox mit Kordel um den Hals getragen. Andere im Gegenteil haben
anfangs eher verschämt versucht ihre Spange hinter fest heruntergezogen Oberlippen zu verstecken.
Damit auch niemand den verräterisch glänzenden Draht, der sich über ihre Zähne legt, entdecken kann.
Da ich nicht so selbstbewusst war, hätte ich zu den letzteren gehört. Damals eine Horrorvorstellung für mich.
Ich wurde nun also gegen meinen erbitterten Widerstand einem Kfo vorgestellt und erlebte nun alles,
was ich schon vom Hörensagen her kannte, Mund auf, Abdrucklöffel rein, auf Wachs beißen, Röntgen.
Dann erinnere ich mich noch wie der Kieferorthopäde eine Schublade aufzog und mir die vielen Modelle mit bunten Spangen
zeigte, die nur noch darauf warteten abgeholt und eingesetzt zu werden. Er wollte mir wohl zeigen, was mir bevorsteht.
Auf einem Schrank hinter dem Empfang stand ein riesiges Glas mit bunten Spangenboxen, da konnte man dann hineingreifen.
Weil ich mich Anfangs aber so gewehrt habe, ist dann aber alles im Sande verlaufen.
So ist es dann zu keinem zweiten Termin mehr gekommen und ich blieb unbespangt.
Irgendwie verrückt denn eigentlich faszinierten mich Mischüler mit Spangen immer stärker.
Ich musste möglichst unbermerkt ihre Zähne mit dem silbernen Draht betrachten,
ein süßes Nuschel und klapperne Spangenboxen machten alles noch interessanter für mich.
So dass ich dann auch in unbeobachteten Momenten heimlich Spangenboxen von Freunden öffnete um den Inhalt zu betrachten.
Ich fand auch den Gedanken schön, dass ein lose Spange eigens für jemand von jemand anderes individuell angefertigt worden war
und nur dieser einzigen Person passte.
Leider war die Angst eine Spange vor anderen tragen zu müssen in dem Moment am größten, als sie schon fast spürbar war,
bei meinem ersten Termin beim Kfo. Diese Angst hat meine aufkommende Faszination erstmal überlagert
So habe ich die Situation nach dem ersten Kfo-Termin dann in Gedanken/Träumerei weitergesponnen.
Wie wäre die Behandlung abgelaufen, welche Art Spange(n) hätte ich tragen sollen, welche Farbe hätte(n) sie gehabt, usw.
Aber am wichtigsten: Wie fühlt sich so ein Spange an, wie sehe ich aus?
So wäre für mich der schönste Moment gewesen, voller Erwartungen zu dem Termin zu erscheinen,
bei dem mir die neu gefertigte(n) Spange(n) zum ersten Mal eingestzt und angepasst wird(werden).