Vor der Einführung von Komposits zum Befestigen der (Klebe-)brackets war man darauf angewiesen, den Zahn mit einem auf ein Band geschweißten Bracket zu "versorgen". Gerade die Verwendung von extraoralen Behelfen (Headgaer & Co.) führt doch zu erheblichen Scherkräften, die ein Bracket ruckzuck vom Zahn abreissen können. Das gilt selbst heute noch. Die Verwendung von Bändern war also eine Notwendigkeit und ihr ging das Separieren mit Spacern/Separiergummis, das wir heute noch im Bereich der Backenzähne kennen, in allen Zahnzwischenräumen voraus. Man musste also kleine Lücken schaffen, die Raum für eine doppelte Bandstärke schafften (keine 1-2mm, wie in diesem Forum andernorts schon gemutmaßt wurde, aber ca. 0,3-0,6 mm je Zahnzwischenraum. Anschließend mußten Bänder aus dem Sortimentskasten gesucht werden, die möglichst eng auf den jeweiligen Zahn drauf passten, möglichst so eng, dass sie auch ohne Zement schon beinahe nicht mehr abzuziehen waren. Diese Bänder mussten sodann noch konturiert werden, damit sie nicht zu Zahnfleischentzündungen führten. Sehr hilfreich war, dass die Industrie solche Bänder konfektionierte, vorher bedeutete es nämlich, aus Bandstahl mit einer speziellen Zange ("Doppelbackenzange nach HAWLETT") ein Band an einen Zahn anzuformen, es zu einem Ring zuzuschweissen ein Bracket aufzuschweissen und das ganze handwerklich zu versäubern, bevor man es einsetzen konnte, sehr schön beschrieben im Buch von Milan Kamínek "Kieferorthopädische Literatur mit festsitzenden Apparaturen, eine Einführung. J.A. Barth Verlag Leipzig, 1980!
DAS dauerte dann richtig lange! Meist waren mehrere Sitzungen notwendig, bis die Schmuckgarnitur komplett war. Es gab zu dieser Zeit aber auch schon Klebebrackets aus Polycarbonat oder Metall, deren Basis vergrössert und perforiert oder auf eine Netzbasis aufgelötet war, um sie mit Komposit auf dem Zahn zum Halten zu bringen. Die Technik galt aber noch als anfällig für Bracketverluste, weswegen gerade die wirtschaftlich gut organisierten größeren Kfo-Praxen, immer noch gern auf Bänder zurückgriffen.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass meine damalige Freundin 1979, ich war gerade mit dem Gymnasium fertig und zur Bundeswehr heimatfern abkommandiert, mir in Briefen von ihren Qualen berichtete, die ihr das "Aufhämmern" der Bänder bereitete. Man muss sich das so vorstellen: Die Zähne sind noch vom Separieren empfindlich und dann wird mit Druck und - im Fall ihres Kieferorthopäden- einem kleinen pneumatischen Hammer Zahn für Zahn mit einem Band versorgt. Das musste damals schon aus Gewinnmaximierungsgründen möglichst schnell gehen! Zu der Zeit war der einfache Stahlbogen auch noch Standard, immerhin gab es ihn schon in verseilter Ausführung für die erste Phase der Behandlung. Als ich aber zum Wochenende nach Hause kam, war sie immer noch ziemlich lädiert und ich musste sehr behutsam mit ihr umgehen. Aber ich war schwer beeindruckt und sehr fasziniert von ihrem Silberlächeln. Wie gern hätte ich damals in ihrer Haut gesteckt, weil es bei mir selbst in zwei Anläufen immer nur zu einer losen Zahnspange gereicht hatte.
Im ersten Durchgang waren die wenigstens noch ordentlich voluminös, OK-Dehnplatte, kompletter Gaumen bedeckt mit Protrusionsfederchen und mit seitlichen Aufbissen, UK-Dehnplatte. Später: Zahnarztwechsel, dann nur noch OK-Dehnplatte, sehr zierlich, ohne Besonderheiten, dafür Kopf-Kinn-Kappe. Ich hätte so gern feste gehabt, es sollte nicht sein!
Da war ich schon ziemlich glücklich, jetzt mal beim Küssen fühlen zu können, was mir die ganze Zeit entgangen ist. Fast so was, wie ins Paradies gucken dürfen!
Viel später, da war ich schon 33, ergab sich während des Studiums die Gelegenheit, nochmal Kontakt zu einem Kieferorthopäden aufzunehmen. Grund war mein Kiefergelenkknacken, das ich darauf zurückführte, dass die Kopf-Kinn-Kappe meine Unterkieferbewegungen zu sehr nach hinten umgelenkt hatte. Ist natürlich nach so langer Zeit nicht als ursächlich zu beweisen gewesen und unter Kollegen hätte auch niemand solche Verdächtigungen gegen einen anderen Kollegen ausgesprochen, ich hatte aber bis dahin so einiges an kieferorthopädischer Literatur gelesen und zog meine eigenen Schlüsse daraus.
Also, Wiederaufnahme einer Kfo-Behandlung, erstmal mit Schienen das Knacken wegtherapieren und dann die knackfreie Schienenposition in das natürliche Kauflächenrelief durch Zahnbewegung übertragen. Leider keine Multiband, aber eine Multibracket-Apparatur im eigenen Mund! Triumph!
Endlich am Ziel meiner seit Kindertagen stetig entwickelten Träume.
In Berlin gab es damals noch eine auch international renommierte Zahnärztin amerikanischer Herkunft, die noch ungefähr bis 1990 Multibandapparaturen einsetzte, mir wurde aber von meinem Behandler klar gemacht, dass das nach Abnahme der Bänder ja noch eine Nachbehandlung der Lücken erfordert hätte und darauf hatte ich sowenig Lust wie auf die offenbar durch diese Technik doch vermehrten parodontalen Probleme, die ich bei Komilitonen, die bei ihr in Behandlung gewesen waren, hautnah erleben durfte.
Jetzt bin ich ein bisschen abgeschweift, aber die wesentlichen Kritikpunkte an den Multiband-Apparaturen sind denke ich herausgekommen:
1. Erst Lücken für Bänder schaffen
2. Hoher Zeitaufwand, die Bänder einzusetzen
3. Erhöhter Zeitaufwand bei der Hygiene
4. Nach dem Entbändern Restlücken, die noch geschlossen werden mussten.
5. Doch deutlich mehr Beeinträchtigungen des Patienten während der Therapie und zwar nicht nur kosmetische!
Aber echte Silversmiles gingen damals eben so! Und das war schon faszinierend!